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Ein Streifzug durch die Geschichte des Halken

(von Susanne Drexhage-Leisebein)

Ihren Halken kennen Ascherslebener Bürger seit dem späten Mittelalter.
Für mehr als siebenhundert Jahre hatten hier „kleine“ Händler und Handwerker ihr Zuhause und den Laden oder die Werkstatt.

Ihr Viertel war benannt nach den Markthallen, den „Hallechen“, die im 13.Jahrhundert auf dem neuen Marktplatz südlich der Stephanikirche entstanden waren. Die ersten festen Buden wurden bald zu Häusern ausgebaut und im Laufe der Jahrhunderte erweitert. Nach den Bedürfnissen ihrer Bewohner immer wieder verändert, wuchsen sie zu einem eigenartigen und unverwechselbaren Stadtquartier zusammen.

Für viele Ascherslebener ist der Halken mit lebendigen Erinnerungen verbunden und Teil der vertrauten Heimat. In den letzten Jahrzehnten wurde davon schon allzu viel aufgegeben und abgerissen.

Unter dem Motto „Paris hat die Mona Lisa und wir haben den Halken“ machten wir seit 2003 darauf aufmerksam, dass die Stadt Aschersleben hier einen kulturhistorischen Schatz besitzt, der erhalten werden muss.
Wir wollten den drohenden Verlust dieses stadtgeschichtlich so wertvollen Stückes Aschersleben nicht hinnehmen. Mit dem Kauf des Haus "Großer Halken Nr.7" wollten wir den Anfang machen.


Die Fassade unseres Hauses wurde im 19.Jahrhundert erneuert. Im Innern erzählen mittelalterliche Mauern, Fachwerkwände, Putz und Scherben aus den Anfangszeiten des Halken.
Unsere Grabungen im Fußbodenbereich förderten eine Brandschicht zu Tage, die die ständige Bedrohung der Stadtbürger durch Feuersbrünste bezeugt. In alten Chroniken lesen wir davon, hier im Halken sehen wir die verkohlten Spuren. Und wir sehen auch, wie man wieder Mut fasste und die Häuser wieder aufbaute.
In der Renaissancezeit konnten sich die Besitzer den Einbau einer Bohlenstube leisten. Die liebevoll profilierte und farbig gestaltete Decke ist fast vollständig erhalten. Repräsentative Gewände aus Sandstein schmücken die Fenster zum Hof hin. Vermutlich führte einst eine Gasse an dieser Hausseite entlang, bevor mit hohen Brandmauern kleine Hinterhöfe abgeteilt wurden.

In der Eingangsdiele konnten wir gemalte Ornamente freilegen, mit denen die Hausbewohner im 15. oder 16.Jahrhundert die Decke verschönert hatten. Wir sind überzeugt, dass im Halken noch viele Überraschungen auf ihre Entdeckung warten. Sie helfen bei der Rekonstruktion der Baugeschichte des Halken, die erst im 19.Jahrhundert mit Bauakten belegt ist.

Solche original und vor allem an Ort und Stelle erhaltenen Details gewähren uns einen Einblick in die Lebenswelt der kleinen Leute hier im Halken, die sich trotz des Kampfes um das tägliche Brot den Sinn für das Schöne bewahrten. Namen der hier ansässigen Gewerbetreibenden und ihrer Familien überliefern vor allem die städtischen Steuerlisten. Teilweise sind die Häuser im Halken als Kossathäuser verzeichnet, das heißt ihre Bewohner konnten von ihrem Gewerbe allein ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Sie mussten zusätzliche Feldarbeit verrichten.

Schneider, Schuhmacher, Beutler, Seiler, Klempner, Nagelschmiede und Bäcker hatten hier Werkstatt und Laden. Noch in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts zeigt sich der Halken als belebtes Geschäfts- und Wohnviertel. Und bis in die Jahre nach der Wende gab es bei Falkenhagen im Großen Halken Nr.3 all das, was sonst kaum zu kriegen war. Viele erinnern sich noch.

Bei Sanierung und Restaurierung und bei touristischen Angeboten werden vor allem die spektakulären Zeugen der Vergangenheit und ihrer herausragenden Protagonisten für wertvoll erachtet, geschützt, erhalten und vermarktet. Damit wird ein einseitiges Geschichtsbild vermittelt, das nicht stimmt. „Die da oben“ wären ohne „die da unten“ nicht in der Lage gewesen, Geschichte zu schreiben.

Hier im Halken von Aschersleben, der urkundlich ältesten Siedlung Sachsen-Anhalts, warteten historische Häuser aus der Frühzeit der Stadtgeschichte darauf, Leben und Wirken der kleinen Leute zu bezeugen. In einzigartiger Weise boten sich hier Möglichkeiten, die andere Seite der Geschichte zu erforschen, zu dokumentieren und zu erleben.

Nach mehreren vergeblichen Versuchen, dieses alte Stadtquartier wieder zu beleben, revitalisierte die Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft (AGW) seit August 2016 das Stadtquartier Hopfenmarkt/Halken. Es umfaßt die Häuser Hopfenmarkt 16-20, Großer Halken 5, Kleiner Halken 1-4. Es entstanden 10 moderne Wohnungen mit einem schönen Umfeld, die 2018 alle vermietet waren.